Predigt über Apg 2,1-21


zum Pfingstsonntag am 31.5.2020

Verstehen wir Pfingsten, liebe Gemeinde? Verstehen wir, was und wen wir heute feiern? Bei den meisten Zeitgenossen gilt das heutige Fest als eine windige Angelegenheit. Nun ja. 

Die schlichte Auskunft von Pfingsten als dem Geburtstag der Kirche lenkt den Blick zurück. Ein Geburtstag. Dann käme es darauf an, ein Ereignis aus der Vergangenheit zu verstehen. Wer etwas aus der Vergangenheit verstehen möchte, fragt nach den näheren Umständen, möchte alles ganz genau wissen. 

Und so ereilt mich ein Tagtraum. Mit einem Male trete ich als Lukaspastor dem ehrwürdigen Evangelisten Lukas gegenüber; der hat neben dem Evangelium auch die Apostelgeschichte verfasst. Ich grüße ehrerbietig und frage den Evangelisten Lukas, ob ich mich auf seine Pfingstgeschichte verlassen darf. 

Der Evangelist fragt verwundert, wieso ich denn als ein ‚Christian’ auf diese Frage komme. Ich sage: „Naja, es gibt doch so viele Fake News. Da möchte ich doch verlässliche Nachrichten haben!“ Etwas streng fragt der Evangelist zurück, ob ich denn nicht sein Evangelium gelesen hätte. Da hätte er doch klar und deutlich zu Beginn gesagt: Er habe alles von Anfang an sorgfältig erkundet. Und er habe es in guter Ordnung aufgeschrieben (Lukas 1,3/4). 

Ich nicke. Natürlich. Deshalb hätte ich ja auch ein gewisses Grundvertrauen und sei zu ihm gekommen. Ob er mir nicht seine Quellen nennen könne. Der Evangelist runzelt die Stirn. Aber dann fängt er an: 

„Nach Ostern ist in Jerusalem etwas Besonderes passiert. Ganz viele Menschen haben sich plötzlich auf einen Schlag taufen lassen. Der Apostel Paulus schreibt (1. Korinther 15,6) , dass Jesus Christus 500 Brüdern auf einmal erschienen sei.“  - „Und dann bist Du dem nachgegangen, Lukas?“, frage ich ein wenig ungeduldig dazwischen.

„Natürlich“, entgegnet der Evangelist. „Und dabei habe ich ziemlich aufregende Dinge gehört. Da haben die größten Angsthasen und Versager plötzlich große Töne gespuckt...“ -„Wie Petrus?“, frage ich. - „Ganz genau“, antwortet Lukas. „Gerade Petrus! Der wurde mit einem Mal eine Leitfigur in der Jerusalemer Urgemeinde! Aber auch andere waren Feuer und Flamme für Jesus Christus! Plötzlich gab es einige getaufte Perser, Araber und Libyer. Aber auch andere aus dem alten Freundeskreis waren richtig stürmisch, als sie von Jesus erzählten. Und erfolgreich!“ 

Ich frage Lukas, woher er denn so genau die Worte aus der ersten Predigt des Petrus weiß und überhaupt die Sache mit dem Brausen vom Himmel. Der Evangelist blickt mich mitleidig an: „Du verstehst wohl nicht so viel von antiker Literatur!“, antwortet er. „Natürlich ist die Rede des Petrus von mir gestaltet worden wie auch die Erzählung vom Kommen des Geistes Gottes. Der griechische Geschichtsschreiber Thukydides hätte es nicht anders gemacht. Ganz bewusst habe ich die Erzählung selber gestaltet: Es geht doch darum, dass die Hörer und Leser der Pfingstgeschichte sie durch die Bilder und durch die prophetische Verheißung des Alten Testaments verstehen!“ 

Verstehen. Die Bilder und die Grundaussagen der Pfingstgeschichte: Ein Brausen vom Himmel. Kraftvoll wie der Wind ist der Geist Gottes. Gottes Geist ist wie ein belebender Atem. Er allein setzt die Verkündigung von Jesus Christus ist Gang. Ihm allein ist der Geburtstag der Kirche zu verdanken. Er allein macht aus dem verschreckten Hühnerhaufen der Jünger Jesu vollmächtige Verkündigerinnen und Verkündiger von Jesus Christus. 

Zungen zerteilt wie von Feuer setzten sich auf einen jeden von Ihnen. Redefähig und zungenfertig wurden die Freundinnen und Freunde von Jesus. Aber das alleine reicht nicht. Gut reden und sich verständlich machen, das können viele. Das Gefühl muss dazu kommen, die Emotion, das Feuer! In der Predigt des Petrus, -wir haben im Predigttext nur einen kleinen Ausschnitt daraus gehört - da begegnen ganz klare vernünftige, verständliche Sätze. Aber ohne Wärme, ohne Feuer hätten sie nicht gewirkt! 

Ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Gottes Geist wirkt Verstehen und Verständigung egal in welcher Sprache. Von Anfang an ist die Kirche international. Das gehört grundlegend zur Pfingstgeschichte dazu! 

Dies ist’s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist. An Pfingsten geht es um die Verkündigung von Jesus Christus dem Gekreuzigten und Auferstandenen als Heiland der Welt. Aber es geht auch um ein Verständlichmachen des Ereignisses von Pfingsten selber: Erfüllung der Heiligen Schrift, das Eintreffen der Verheißung des Propheten Joel. Gottes Geist wirkt durch die Heilige Schrift. 

Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden. Rettung und Heil durch Jesus Christus, eine Grundlage zum Leben, ein Fundament für den Sinn des eigenen Daseins, das weht Gottes Geist an Pfingsten als Verheißung in die Welt. 

Wie Pfingsten zu verstehen ist? Ich denke, liebe Gemeinde, Pfingsten ist eine Sternstunde von Verstehen und Verständigung. Eine Sternstunde die ausstrahlt bis heute. Und wenn wir unser Herz öffnen, wenn wir um Verstehen und Verständigung der christlichen Botschaft für uns bitten, dann verstehen wir Pfingsten im Sinne des Patrons unserer Kirche! – 

Vielfältig und tröstlich ist das Wirken des Geistes Gottes. Ich schließe mit einem Stück eigener Poesie:

 

Wenn ein Wort dich trifft,

das Leben verheißt,

aufgrund der Schrift

dich aufatmen lässt,

sei gewiss,

das wirkt Gottes Geist.

 

Wenn nun Gott fern ist

und deine Zunge verstummt,

weil Not an dir frisst,

und dann ein Seufzen dich reißt,

das befreit und gut tut,

dann weht Gottes Geist.

 

Wenn keiner dich sieht

und allein du dich fühlst,

doch plötzlich was weht,

Gemeinschaft entsteht,

nur das du’s weißt

Es wirkt Gottes Geist!  AMEN                                           

P. Dr. Bogislav Burandt