Predigt über 2. Chronik 5,2-5+12-14


zum Sonntag Kantate am 10.05.2020

2 Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. 3 Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist. 4 Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf 5 und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten... 

 12 und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. 13 Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des HERRN, 14 sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes."

2. Chronik 5,2-5+12-14

Predigt

Nach einem schönen Gottesdienst, liebe Gemeinde, haben sich viele von uns in den letzten Wochen gesehnt. Und was ein schöner Gottesdienst ist – davon haben wir in der ersten Lesung gehört. 

Das Ereignis als solches war schon mal großartig: die Einweihung des Tempels damals in Jerusalem unter König Salomo. Nur: Großartigkeit allein garantiert noch keinen schönen Gottesdienst. Zurück zum Ereignis: Der reiche König Salomo hatte es fertiggebracht, endlich Gott dem Herrn einen würdigen Tempel zu bauen. Alle Frauen und Männer in Israel freuten sich darüber. Die Zeit des Herumirrens in der Wüste, das unstete Umherwandern mit allem und jedem, das Durcheinander bei den Fragen nach Sinn und Deutung des eigenen Lebens – endlich gab es jetzt einen ruhenden Pol: das neue Heiligtum in Jerusalem. Jeder der unsicher oder ängstlich ist, jetzt hat er eine konkrete Adresse: den neuen Tempel in Jerusalem, in dem Gott angebetet und verherrlicht wird. 

So ein Ereignis muss ganz groß gefeiert werden. Und so kommen nach dem Willen des Königs Salomo alle Großen und Mächtigen der verschiedenen Stämme zusammen zum Fest. Freilich: Die Menge als solche garantiert noch keinen schönen Gottesdienst. 

Der besondere Einweihungsakt verlief zunächst wenig spektakulär: Die Lade mit den 10 Geboten und die Stiftshütte, das heilige Zelt aus der Wüstenzeit, werden in den Tempel überführt. Endlich bekommen die Lade und die Stiftshütte mit dem Tempel einen Ort, der ihrer Bedeutung entspricht. Die Menschen möchten Gott Danke sagen für seine Begleitung und das Einlösen der Verheißung vom gelobten Land. Und so werden dann auch unzählige Schafe und Rinder geopfert. Aber auch hier: Die Menge als solche garantiert noch keinen schönen Gottesdienst. 

Und dann treten sie auf: die Leviten. Das waren Tempelbedienstete, die im Rang unter den Priestern standen. Die machten Musik; übrigens auch gemeinsam mit den höher stehenden Priestern. Der Lärm war gewaltig bei der Menge an Trompeten, Psaltern und Harfen. Und Lautstärke als solche garantiert auch noch nicht ohne weiteres einen schönen Gottesdienst. 

Aber dann passierte etwas höchst Ungewöhnliches. Es war, als wäre es einer der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Spätestens an dieser Stelle, liebe Gemeinde, werden wir höchst aufmerksam. Dass so viele verschiedene Menschen mit einer Stimme Gott loben, das deutet auf einen schönen Gottesdienst hin. Wenn bei aller Verschiedenheit und Gegensätzlichkeit der Interessen, Naturen und Vorstellungen das Lob Gottes mit einer Stimme laut wird, dann ist das schön, finde ich. Und mir fallen mehrere Gottesdienste ein, die ich dazu zählen würde: z.B. einen der ökumenischen Gottesdienste zum Reformationstag. 

Damals übrigens war das Loben Gottes mit einer Stimme auch ein Wunder, zumal, wie es die Geschichte nahelegt, Unstimmigkeiten zwischen Priestern und Leviten gegeben hatte. Mit einer Stimme Gott loben: 

„Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit wärt ewig“ haben Leviten und Priester gemeinsam gesungen und musiziert. Was für Lichtblick: gegen die Bösartigkeit des Virus auf Gottes Güte zu schauen. 

„Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit wärt ewig.“ Was für eine Aussage in unsicherer Zeit, wo der Boden unter unseren Füßen schwankt! 

„Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit wärt ewig.“ Was für eine Mut machende Aussage, sich auf Gott einzulassen und seiner Barmherzigkeit zu vertrauen! Worte, die Lebensmut schenken, gehören zu einem schönen Gottesdienst, denke ich. 

Der eigentliche Clou der Geschichte vom schönen Gottesdienst kommt am Schluss: Der Tempel wird erfüllt mit einer Wolke, so dass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke, denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes. Gott selber nimmt Raum ein, er erfüllt den Tempel, seine Herrlichkeit verbreitet Schönheit. Und dies mit einer Macht, die keiner menschlichen Dienste bedarf: Die Priester können nicht den Dienst antreten, weil Gott präsent ist! 

Was für eine großartige, schöne Szene! Gott kann sich selber uns mitteilen. Die Geistlichen sollen die Wege zu Gott bahnen und öffnen helfen, aber wenn Gott selber einem Menschen einleuchtet, dann ist das ganz und gar das Werk des Heiligen Geistes und verdankt sich nicht menschlicher Bemühungen! –

Wir können die Geschichte lesen als eine Geschichte, die die Allmachtsphantasien von Geistlichen begrenzt. Wir können Sie aber auch als Trost für die Profis in der Kirche verstehen, dass „das Eigentliche“ eben gerade nicht von Menschen machbar ist! Und wir können sie als Ermutigung zur Musik verstehen, im Singen und Musizieren die Ehre Gottes zu suchen, wie es Leviten und Priestern bei der Einweihung des Tempels so gut gelungen ist. 

Zu einem schönen Gottesdienst hat von Anfang an Musik dazugehört. Es lebe die Kirchenmusik! Wenn ich zurückdenke an schöne Gottesdienste, als ich Jugendlicher war, dann fällt mir auf: Es gibt keine musikalische Stilrichtung, die so einfach Vorfahrtsrecht in Sachen Gottesdienst beanspruchen darf. 

1981 auf dem Kirchentag in Hamburg, da war ich 19 Jahre jung, da besuchte ich am Nachmittag mit Freunden eine ökumenische Beatmesse. Obwohl wir etwas zu spät kamen, war ich hin und weg und ganz erfüllt. Die anderen mussten mich dann erst noch überzeugen, am späten Abend eine weitere Veranstaltung zu besuchen: ein schlichtes Gebet mit Teelichtern und Gesängen aus Taize. Für mich war das die erste Begegnung mit der Frömmigkeit von Taize. Der Frieden und die Ruhe, die ich durch dieses Gebet empfing, begleitete mich noch die ganze lange Fahrt in der U-Bahn bis zurück in unser Quartier in der Turnhalle...  

Sehnsucht nach einem schönen Gottesdienst. Das ist kein Luxus. In dieser Sehnsucht meldet sich vielmehr der Wunsch, inmitten einer zerbrechlichen Welt, Gott zu erfahren als den Gott, der uns in Jesus Christus seine Liebe zugewandt hat. In dieser Sehnsucht halte ich die Widersprüchlichkeit der Welt aus und auch die Widersprüchlichkeit meines eigenen Lebens aus. Ich schließe mit einem Gebet von Anne Henning:

 

Auf den Flügeln der Sehnsucht mich wegtragen lassen

hoch hinauf immer höher,

um endlich ganz nah bei dir Ruhe zu finden, Kraft zu tanken

wieder zu spüren, wer ich bin, weil du mich gemeint hast.

 

Und mich dann auf den Flügeln deiner Liebe zurückbringen lassen,

landen mitten in meinem Leben,

am frühen Morgen, kurz bevor die Sonne den Tag begrüßt und spüren:

Ich bin getragen im Hier und Jetzt.

 

AMEN

Ihr P. Dr. Bogislav Burandt

Gebet

Gott, lieber himmlischer Vater,
der du uns tröstest wie einen seine Mutter tröstet,
von widerstreitenden Eindrücken und Empfindungen geschüttelt kommen wir zu Dir.

Wir erleben Sonne, Aufbruch und Freude,
und zugleich erleben wir Angst vor der Rückkehr des Virus, Sorgen um das eigene Einkommen und kaum unterdrückte Wut.

Hilf uns, uns nach Dir auszurichten.
Mach uns Mut, Dein Lob zu singen gerade in Anbetracht der schwierigen Verhältnisse.

Hilf Du unserem Lebensmut auf. Das bitten wir Dich im Namen Jesu Christi, der unser Bruder, unser Freund und unser Erlöser ist.

AMEN

P. Dr. Bogislav Burandt

Biblisches Personen-Raten

Auflösung des Rätsels vom letzten Sonntag Jubilate:

Es handelt sich um den Propheten Jona, und das Lied, das er im Bauch des Fische gesungen hat, steht Jona 2.