Liebe Leserinnen und Leser,
soviel Passionszeit wie in diesem Jahr gab es noch nie! Das Leben ist auch unter normalen Bedingungen nicht einfach; für keinen von uns. Aber dass wir alle ohne Ausnahme einem verschärften Leidensdruck – Passion bedeutet Leiden – ausgesetzt sind, gab es seit dem Zweiten Weltkrieg und den Nöten der Nachkriegszeit nicht. Selbst die Schüler, die tendenziell aufgeschlossen sind für eine Auszeit von der Schule, genießen die Zwangsferien überhaupt nicht, weil sie ja nichts machen dürfen. Unter der Situation leiden wir alle und würden daher mit größerer Aufmerksamkeit als sonst für uns als Spiegel uns die Leidensgeschichte Jesu vor Augen halten, wenn wir denn uns treffen oder in die Kirche gehen dürften...
Vor vielen Jahrhunderten hatten die Menschen in Israel ihre Passion zu bestehen, als sie mutlos die zerstörten oder nur kümmerlich aufgebauten Häuser ihrer Hauptstadt Jerusalem anschauten. Und da trat der Prophet Jesaja auf und sprach ihnen Trost zu. Sein Aufruf „Freuet euch“ hat dem Sonntag im Kirchenjahr am 22.3. seinen Namen gegeben: „Laetare“.
Jesaja verheißt Zukunft, denn Gott meldet sich in der Trauer und Mutlosigkeit zu Wort. Wie ein schreiender Säugling an der Brust seiner Mutter Sättigung und Freude erfährt, so sollen die Menschen sich laben dürfen. Freude statt Trauer, Überfluss statt Mangel, Frieden statt Streit und Krieg, Reichtum für alle Völker statt Armut bei den meisten, blühende Gesundheit statt Hinfälligkeit und Zerfall.
Jesaja verheißt eine Zukunft, die nicht von Menschen machbar ist sondern sich Gottes Wirken verdankt. Aber es ist eine Verheißung, die schon jetzt die Menschen mitnehmen will und sie auf die Grundbedürfnisse hinweist: Das Baby hat ganz einfache elementare Bedürfnisse. Mit der Milch saugt es zugleich Liebe und Wärme ein, Schutz und Geborgenheit. Für den schreienden Säugling gibt es keinen besseren Trost als die Brust der Mutter. Und genauso persönlich und elementar will unser Gott dich, mich und uns trösten. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet, spricht Gott.
Gott, der in Jesus Christus mit uns und für uns leidet, ist eben nicht ein ferner Macher oder ein Patriarch aus längst vergangenen Zeiten. Er will uns Hoffnung vermitteln und uns zugleich elementar trösten wie eine Mutter – hier und jetzt. Lasse ich mich trösten? Lebe ich nicht gerade einfach und elementar?
Unseren speziellen kulturellen Interessen, sportlichen Vorlieben und ausgeklügelten Hobbys können wir nicht nachgehen. Aber elementar – wie ein Säugling – zu Gott im Gebet schreien, das können wir. Wir können Nachbarn um Hilfe bitten. Wir können den Menschen, denen wir begegnen auch aus der Distanz ein Lächeln schenken. Wir können Essen und Trinken besorgen für diejenigen, die nicht außer Haus gehen können oder dürfen. Und wir können andere Menschen und uns selbst mit einem Anruf beschenken und ohne besonderen Grund elementar fragen: Wie geht es Dir? Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet, spricht unser Gott.
P. Dr. C. Bogislav Burandt